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Es hat mich total gepackt.

Interview mit Clara Grünwald, April 2017

Sie war gerade 25 Jahre alt, als sie stellvertretende Solocellistin des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg wurde. Das war im Herbst 2015. Im Interview spricht Clara Grünwald jetzt über ihre Begeisterung für die Oper und für selbstgebrautes Bier – und verrät, warum sie sich fast gegen eine Musikkarriere entschieden hätte.

Mitten in Ihre zweite Spielzeit in Hamburg fiel gleich ein echter Höhepunkt: Die Eröffnung der Elbphilharmonie. Wie haben Sie die ersten Konzerte des Philharmonischen Staatsorchesters im neuen Haus erlebt?

Ich war bisher bei allen unseren Konzerten in der Elbphilharmonie dabei und bin total begeistert. Am Anfang war es allerdings ein Schock, weil man sich sehr gut hört und auch alles drum herum. Es ist auf jeden Fall schwieriger, dort zu spielen, als zum Beispiel in der Laeiszhalle.

Was ist die besondere Herausforderung?

Man muss sich wirklich anstrengen, damit sich der Klang innerhalb der Instrumentengruppe gut mischt. Da braucht man absolut die gleiche Tongebung und die gleiche Klangvorstellung.

Sie spielen in einem Orchester mit großer Bandbreite von Oper bis Sinfoniekonzerten. Dazu kommt die Kammermusikreihe. Was machen Sie am liebsten?

Ich mache alles drei gerne. Oper hatte ich allerdings nie gespielt, bevor ich nach Hamburg kam. Das hat mich hier total gepackt.

Was ist für Sie das Besondere an Oper?


Am Anfang ist man total überfordert, weil es wahnsinnig schnell geht. Man muss in jedem Takt reagieren, schneller oder langsamer spielen oder warten. Dazu kommt: Es gibt immer andere Sänger und es läuft jeden Abend ein bisschen anders. Oper ist eben sehr spontan. Aber wenn man sich als Musiker daran gewöhnt hat, dann ist es eine sehr direkte und intuitive Musik.

Inwiefern intuitiv?

Die Musik unterstützt immer die Handlung. Wenn einer stirbt, dann gibt es einen schrecklichen Akkord, oder wenn zwei sich verlieben, dann gibt es eine unendlich schöne Melodie. Es ist einfach eine sehr starke, emotionale Musik. Das macht mir total Spaß.

Wann war Ihnen klar, dass das Orchester Ihr Weg sein würde?

Noch ein Jahr vor dem Abitur war ich nicht mal sicher, ob ich überhaupt Musik studieren würde. Ich habe zwischen Musik und Physik hin und her geschwankt. Mir haben damals alle gesagt: Musik studieren viel zu viele und man bekommt keine Stelle. Und die Astrophysik hat mich besonders fasziniert, weil man durch Beobachtungen und Berechnungen so viel über unser Sternensystem herausfinden kann.

Was hat dann den Ausschlag für die Musik gegeben?

Ein Leben hinter dem Schreibtisch konnte ich mir letztendlich doch nicht vorstellen. Aber die Astrophysik fasziniert mich immer noch. Während des Studiums habe ich ständig die neuesten Fachbücher gekauft und Unmengen gelesen. Seitdem ich angefangen habe, selber Bier zu brauen, habe ich allerdings weniger Zeit dafür.

Wie kam es denn dazu?

Ich war schon immer ein Bierfan. Vor einem halben Jahr kam dann ein Schulfreund von mir auf die Idee, dass wir mal selber brauen könnten. Das Thema Bierbrauen ist sehr spannend und vielschichtig.

Sind Sie jemand, der sich dann richtig einarbeitet, wenn Sie etwas interessiert?

Wenn mich etwas fasziniert, dann mach ich das. Bier zu brauen ist aber gar nicht so kompliziert. Alles, was man braucht, ist ein großer Topf zum Kochen und ein Gärfass im Keller. Als letztes haben wir ein Münchener Hell gebraut.

Wie oft wird gebraut?

Einmal im Monat machen wir Brautag. Wir müssen allerdings immer schauen, dass alle Zeit haben. Ich habe leider immer am wenigsten
Zeit, weil ich meistens abends und am Wochenende Konzerte habe. Die anderen haben dagegen normale Jobs.

Wie wichtig ist es für Sie, sich mit Menschen zu treffen, die „normale“ Jobs haben?

Sehr wichtig. Das hätte ich früher nicht gedacht. Aber wenn man fest im Orchester spielt, muss man ein bisschen aufpassen, dass man nicht in einen Tunnel gerät. Man arbeitet ja immer, wenn alle anderen frei haben, und man hat frei, wenn die anderen arbeiten.

Dieser Ausgleich scheint sich positiv auszuwirken: Am 22. April bekamen Sie den Eduard-Söring-Preis Preis der Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper für ihre Leistungen im Orchester verliehen.

Das ist eine große Ehre. Vor ein paar Monaten kam Kent Nagano auf mich zu und sagte mir, dass er mich für den Preis vorgeschlagen habe. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Aber ich freue mich umso mehr darüber.

Das Gespräch führte Hannes Wönig

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